§ 158
Vermögenswerte, Unabhängigkeit, Dienstleistungen, Verwechslungsgefahr
📝 Zusammenfassung
Der Paragraph regelt, wie ein Übertragungsnetzbetreiber, der ursprünglich Teil eines vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens war, unabhängig gemacht werden kann und welche Anforderungen dafür gelten.
Kernaussage
Wenn das Übertragungsnetz bis zum 3. September 2009 im Eigentum eines vertikal integrierten Unternehmens stand, kann statt einer Eigentumsentflechtung ein unabhängiger Netzbetreiber benannt werden. Dieser muss vollständig eigenständig sein, eigene Ressourcen besitzen und darf keine Dienstleistungen vom Mutterunternehmen beziehen.
Wichtige Details
-
Unabhängigkeit
* Der Netzbetreiber muss Eigentümer des Netzes und aller Vermögenswerte sein.
* Alle Mitarbeiter, Rechtsabteilung, Buchhaltung und IT müssen beim Netzbetreiber angestellt sein.
* Keine Dienstleistungen (z. B. Personalleasing) dürfen vom vertikal integrierten Unternehmen an den Netzbetreiber erbracht werden.
* Der Netzbetreiber darf keine Dienstleistungen für das Mutterunternehmen erbringen, die zu Diskriminierung oder Wettbewerbsverzerrung führen.
* Tochterunternehmen, die Erzeugung oder Lieferung übernehmen, dürfen weder Anteile am Netzbetreiber halten noch ihm Dividenden zahlen.
* Die Verwaltungsstruktur und Satzung des Netzbetreibers müssen seine tatsächliche Unabhängigkeit sichern.
* Das Mutterunternehmen darf das Wettbewerbsverhalten des Netzbetreibers weder direkt noch indirekt beeinflussen. -
Ressourcen
* Der Netzbetreiber muss über ausreichende personelle, technische, materielle und finanzielle Mittel verfügen.
* Das Mutterunternehmen muss dem Netzbetreiber angemessene finanzielle Ressourcen für zukünftige Investitionen und Ersatz von Vermögenswerten bereitstellen. -
Vermeidung von Verwechslung
* Alle Außenauftritte, Marken und Geschäftsräume des Netzbetreibers müssen eindeutig von denen des Mutterunternehmens getrennt sein.
* Keine Zeichen, Namen oder Aufmachungen dürfen auf Zugehörigkeit zum Mutterunternehmen hinweisen. -
Getrennte Infrastruktur
* Keine gemeinsame Nutzung von IT‑Systemen, Ausrüstung, Büroräumen oder Zugangskontrollsystemen.
* Keine gemeinsamen Berater oder externe Auftragnehmer. -
Rechnungslegung
* Der Netzbetreiber wird von einem anderen Wirtschaftsprüfer geprüft als das Mutterunternehmen.
* Der Prüfer des Mutterunternehmens darf nur mit Zustimmung der Regulierungsbehörde Teile der Bücher des Netzbetreibers einsehen, und muss vertraulich bleiben. -
Geschäftstätigkeiten
* Neben den in § 122 genannten Aufgaben muss der Netzbetreiber:- Vertretung und Ansprechpartner für Dritte und Regulierungsbehörden sein.
- In ENTSO (Strom) vertreten.
- Nichtdiskriminierenden Zugang Dritter gewähren.
- Alle übertragungsnetzbezogenen Gebühren erheben.
- Betrieb, Wartung und Ausbau des Netzes sicherstellen.
- Investitionsplanung für Versorgungssicherheit durchführen.
- Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Betreibern oder Börsen gründen.
- Rechtsabteilung, Buchhaltung und IT bereitstellen.
-
Rechtsform
* Der Netzbetreiber muss einer der in Anhang I der EU‑Richtlinie 2017/1132 genannten Rechtsformen entsprechen (z. B. GmbH, AG, KG).
Ausnahmen/Besonderheiten
Dienstleistungen des Mutterunternehmens für den Netzbetreiber sind grundsätzlich verboten, es sei denn, sie erfüllen die Bedingungen der Nichtdiskriminierung, gleichen Vertragsbedingungen und Regulierungsbehörde‑Genehmigung (§ 25 Abs. 1 Z 2 lit. b E‑ControlG).
Der Netzbetreiber darf keine Anteile an Tochterunternehmen des Mutterunternehmens halten, die Erzeugung oder Lieferung betreiben.
* Die Regulierungsbehörde kann Einwände gegen die Einsicht des Mutterunternehmens in die Bücher des Netzbetreibers erheben, um die Unabhängigkeit zu schützen.
Querverweise
§ 154 (Eigentumsentflechtung) – Alternative zur Entflechtung, falls ein unabhängiger Betreiber benannt wird.
§ 122 (Aufgaben des Netzbetreibers) – Ergänzt die Aufgaben, die hier zusätzlich verlangt werden.
§ 123 (Netzentwicklungsplan) – Der Netzbetreiber darf nicht von Mutterunternehmen beeinflusst werden.
§ 25 Abs. 1 Z 2 lit. b E‑ControlG – Genehmigung von Dienstleistungen zwischen Mutterunternehmen und Netzbetreiber.
* EU‑Richtlinie 2017/1132 und 2025/25 – Rechtsformen des Netzbetreibers.
Unklarheiten
Die Formulierung „angemessene finanzielle Ressourcen“ ist nicht exakt definiert; die genaue Höhe muss im Einzelfall durch die Regulierungsbehörde festgelegt werden.
📜 Gesetzestext
(1) In den Fällen, in denen das Übertragungsnetz am 3. September 2009 im Eigentum eines
vertikal
integrierten
Elektrizitätsunternehmens
gestanden
hat, besteht
die
Möglichkeit,
die
eigentumsrechtliche Entflechtung nach § 154 nicht anzuwenden und stattdessen einen unabhängigen
Übertragungsnetzbetreiber zu benennen.
(2) Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber muss über alle personellen, technischen, materiellen
und finanziellen Ressourcen verfügen, die zur Erfüllung seiner Pflichten und für die Geschäftstätigkeit
des Übertragungsnetzes erforderlich sind. Unbeschadet der Entscheidungen des Aufsichtsorgans sind dem
unabhängigen
Übertragungsnetzbetreiber
angemessene
finanzielle
Ressourcen
für
künftige
Investitionsprojekte und für den Ersatz vorhandener Vermögenswerte nach entsprechender Anforderung
durch
den
unabhängigen
Übertragungsnetzbetreiber
rechtzeitig
vom
vertikal
integrierten
Elektrizitätsunternehmen bereitzustellen. Für den Geschäftsbetrieb des Übertragungsnetzes ist
insbesondere Folgendes erforderlich:
- Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber muss Eigentümer des Übertragungsnetzes sowie der Vermögenswerte sein.
- Das Personal muss beim unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber angestellt sein. Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber muss insbesondere über eine eigene Rechtsabteilung, Buchhaltung und über eigene IT-Dienste verfügen.
- Die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Personalleasing, durch das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen für den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber ist untersagt. Ein unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber darf für das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen Dienstleistungen, einschließlich Personalleasing, erbringen, sofern dabei nicht zwischen Nutzern diskriminiert wird, die Dienstleistungen allen Nutzern unter den gleichen Vertragsbedingungen zugänglich sind und der Wettbewerb bei der Erzeugung und Lieferung nicht eingeschränkt, verzerrt oder unterbunden wird und die Vertragsbedingungen gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b E-ControlG von der Regulierungsbehörde genehmigt werden.
(3) Tochterunternehmen des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens, die die Funktionen
Erzeugung oder Lieferung wahrnehmen, dürfen weder direkt noch indirekt Anteile am Unternehmen des
unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers halten. Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber darf weder
direkt noch indirekt Anteile an Tochterunternehmen des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens,
die die Funktionen Erzeugung oder Lieferung wahrnehmen, halten und darf keine Dividenden oder
andere
finanzielle
Zuwendungen
von
diesen
Tochterunternehmen
erhalten.
Die
gesamte
Verwaltungsstruktur und die Unternehmenssatzung des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers
gewährleisten seine tatsächliche Unabhängigkeit. Das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen darf
das Wettbewerbsverhalten des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers in Bezug auf dessen laufende
Geschäfte und die Netzverwaltung oder in Bezug auf die notwendigen Tätigkeiten zur Aufstellung des
Netzentwicklungsplans gemäß § 123 weder direkt noch indirekt beeinflussen.
(4) Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber muss in seinem gesamten Außenauftritt und seinen
Kommunikationsaktivitäten sowie in seiner Markenpolitik und in den Geschäftsräumen dafür Sorge
tragen, dass eine Verwechslung der eigenen Identität mit jener des vertikal integrierten
Elektrizitätsunternehmens oder irgendeines Teils davon ausgeschlossen ist. Der unabhängige
Übertragungsnetzbetreiber darf daher nur Zeichen, Abbildungen, Namen, Buchstaben, Zahlen, Formen
und Aufmachungen verwenden, die geeignet sind, die Tätigkeit oder Dienstleistung des
Übertragungsnetzbetreibers von denjenigen des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens zu
unterscheiden, und die keine Verweise auf die Zugehörigkeit zum vertikal integrierten
Elektrizitätsunternehmen enthalten.
(5) Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber unterlässt die gemeinsame Nutzung von
IT-Systemen oder -Ausrüstung, Büroräumlichkeiten und Zugangskontrollsystemen mit jeglichem
Unternehmensteil des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens.
(6) Der unabhängige Übertragungsnetzbetreiber gewährleistet, dass er in Bezug auf IT-Systeme
oder -Ausrüstung und Zugangskontrollsysteme nicht mit denselben Beratern und externen
Auftragnehmern wie das vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen zusammenarbeitet.
(7) Die Rechnungslegung von unabhängigen Übertragungsnetzbetreibern ist von anderen
Wirtschaftsprüfern
als
denen,
die
die
Rechnungsprüfung
beim
vertikal
integrierten
Elektrizitätsunternehmen oder bei dessen Unternehmensteilen vornehmen, zu prüfen. Soweit zur
Erteilung des Konzernbestätigungsvermerks im Rahmen der Vollkonsolidierung des vertikal integrierten
Elektrizitätsunternehmens oder aus sonstigen wichtigen Gründen erforderlich, kann der Wirtschaftsprüfer
des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens Einsicht in Teile der Bücher des unabhängigen
Übertragungsnetzbetreibers nehmen, sofern die Regulierungsbehörde keine Einwände aus Gründen der
Wahrung der Unabhängigkeit mit Bescheid dagegen erhebt. Die wichtigen Gründe sind vorab schriftlich
der Regulierungsbehörde mitzuteilen. Der Wirtschaftsprüfer hat diesbezüglich die Verpflichtung,
wirtschaftlich sensible Informationen vertraulich zu behandeln und insbesondere nicht dem vertikal
integrierten Elektrizitätsunternehmen mitzuteilen.
(8) Die Geschäftstätigkeit des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers beinhaltet neben den in
§ 122 angeführten Aufgaben mindestens die folgenden Tätigkeiten:
- die Vertretung des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers und die Funktion des Ansprechpartners für Dritte und für die Regulierungsbehörden;
- die Vertretung des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers innerhalb des ENTSO (Strom);
- die Gewährung und Regelung des Zugangs Dritter nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern;
- die Erhebung aller übertragungsnetzbezogenen Gebühren, einschließlich Zugangsentgelten, Energie für Verluste und Entgelten für Systemdienstleistungen;
- den Betrieb, die Wartung und den Ausbau eines sicheren, effizienten und wirtschaftlichen Übertragungsnetzes;
- die Investitionsplanung zur Gewährleistung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage zu decken, und der Versorgungssicherheit;
- die Gründung geeigneter Gemeinschaftsunternehmen, auch mit einem oder mehreren Übertragungsnetzbetreibern, von Strombörsen und anderen relevanten Akteuren, mit dem Ziel, die Schaffung von Regionalmärkten zu fördern oder den Prozess der Liberalisierung zu erleichtern;
- die Bereitstellung aller unternehmensspezifischen Einrichtungen und Leistungen, unter anderem Rechtsabteilung, Buchhaltung und IT-Dienste.
(9) Für den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber gelten die in Anhang I der Richtlinie
(EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. Nr. L. 169 vom 30.06.2017 S. 46,
zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2025/25 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes
digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. Nr. L 2025/25 vom 10.01.2025 S.1,
genannten Rechtsformen.