§ 139
Marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsleistungen
📝 Zusammenfassung
Kernaussage
Netzbetreiber sind verpflichtet, Flexibilitätsleistungen (inkl. Engpassmanagement) marktgestützt zu beschaffen, wenn dies kosteneffizienter ist als Netzausbau oder Netzverstärkung. Innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift müssen sie einen Vorschlag für einheitliche Spezifikationen und ein gemeinsames Vorgehen vorlegen; die Regulierungsbehörde legt die Modalitäten fest und kann Ausnahmen genehmigen.
Wichtige Details
1. Beschaffungsgrundlage – Flexibilitätsleistungen werden nur dann beschafft, wenn sie die Kosten senken, die Netzbetriebseffizienz steigern oder Verzögerungen bei neuen Netzzugängen wirtschaftlich vermeiden.
2. Transparenz & Nicht‑Diskriminierung – Die Beschaffung muss transparent, diskriminierungsfrei und marktgestützt erfolgen.
3. Vorschlag der Netzbetreiber – Nach Konsultation der Marktteilnehmer muss ein Vorschlag für ein gemeinsames Vorgehen und einheitliche Spezifikationen vorgelegt werden.
4. Frist – Der Vorschlag ist spätestens neun Monate nach Inkrafttreten der Bestimmung einzureichen.
5. Inhalte der Spezifikationen – Sie müssen die wirksame und diskriminierungsfreie Beteiligung aller Marktteilnehmer sicherstellen, insbesondere von Anbietern verteilter Erzeugung, Laststeuerung und Energiespeicherung.
6. Effizienz‑Ziele – Die Spezifikationen sollen effiziente Beschaffung, effizienten Netzbetrieb, einen liquiden Markt für Flexibilitätsleistungen sowie gesamtwirtschaftliche Effizienz, Transparenz und Integrität gewährleisten.
7. Berücksichtigung spezieller Netzzugänge – Der Vorschlag muss erläutern, wie Flexibilitätsleistungen von Netzbenutzern mit flexiblem Netzzugang (§ 103), begrenztem/ beschränktem Netzzugang (§ 104) und Tarifen mit unterbrechbarer bzw. regelbarer Leistung (§ 128 Abs. 5) berücksichtigt werden.
8. Regulierungsbehörde – Sie legt mit einer Verordnung die Modalitäten für die Beschaffung über die gemeinsame Flexibilitätsplattform (§ 142) und die Spezifikationen fest, ist jedoch nicht an den Vorschlag der Netzbetreiber gebunden.
9. Keine Spezifikationen bei Ausnahme – Liegt eine Ausnahme gemäß § 139 Abs. 5 vor, sind keine Spezifikationen festzulegen.
10. Kosten in Systemnutzungsentgelte – Die angemessenen Kosten der marktgestützten Beschaffung (inkl. IT‑ und Infrastruktur) werden bei der Festsetzung der Systemnutzungsentgelte (10. Teil) berücksichtigt. Erlöse aus der Beschaffung fließen als Grundlage in die Entgeltbestimmung ein.
11. Ausnahmen – Die Regulierungsbehörde kann marktgestützte Beschaffung ausschließen, wenn sie wirtschaftlich nicht effizient ist oder zu Marktverzerrungen/Engpässen führt. Alternativen wie kostenbasierte Beschaffung sind zulässig, wenn sie kosteneffizienter sind.
12. Überprüfung – Bei festgestellter Ausnahme muss die Entscheidung mindestens alle zwei Jahre überprüft und das Ergebnis online veröffentlicht werden.
Ausnahmen/Besonderheiten
- Keine Spezifikationen – Bei einer Ausnahme nach Abs. 5 sind keine Spezifikationen zu erarbeiten.
- Alternative Beschaffungsformen – Kostenbasierte Beschaffung kann als Alternative zur marktgestützten Methode gewählt werden.
- Regulierungsbehörde nicht gebunden – Die Verordnung der Behörde muss nicht den Vorschlag der Netzbetreiber übernehmen.
- Überprüfungsfrist – Entscheidungen über Ausnahmen sind mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen.
Unklare Formulierungen
- Die Formulierung „kosteneffizientere Maßnahme“ ist mehrdeutig, da nicht klar definiert ist, welche Vergleichsmaßstäbe anzuwenden sind.
- Die Anforderung, dass Spezifikationen „eine effiziente Beschaffung und einen effizienten Netzbetrieb sowie einen möglichst liquiden Markt … gewährleisten“ ist breit gefasst und lässt Raum für unterschiedliche Interpretationen.
- Der Mechanismus, wie genau die Regulierungsbehörde entscheidet, ob eine Ausnahme vorliegt, wird nicht detailliert beschrieben.
Querverweise
- § 103 – Flexible Netzzugänge, die bei der Beschaffung berücksichtigt werden müssen.
- § 104 – Begrenzter bzw. beschränkter Netzzugang, ebenfalls zu berücksichtigen.
- § 128 Abs. 5 – Tarife mit unterbrechbarer bzw. regelbarer Leistung, die in die Beschaffung einbezogen werden sollen.
- § 142 – Gemeinsame Flexibilitätsplattform, über die die Beschaffung erfolgt.
- 10. Teil – Regelungen zur Festsetzung der Systemnutzungsent
📜 Gesetzestext
(1) Netzbetreiber haben nach Konsultation der Marktteilnehmer Flexibilitätsleistungen
einschließlich Engpassmanagement für ihren Bedarf in einem transparenten, diskriminierungsfreien und
marktgestützten Verfahren zu beschaffen, wenn die Flexibilitätsbeschaffung gegenüber dem Netzausbau
oder der Netzverstärkung die kosteneffizientere Maßnahme darstellt, die Effizienz beim Betrieb des
Verteiler- und/oder Übertragungsnetzes dadurch verbessert wird oder Verzögerungen bei neuen
Netzzugängen dadurch wirtschaftlich effizient vermieden werden.
(2) Die Netzbetreiber haben nach Konsultation der Marktteilnehmer der Regulierungsbehörde
spätestens neun Monate nach Inkrafttreten dieser Bestimmung einen Vorschlag für eine gemeinsame
Vorgehensweise für die transparente, diskriminierungsfreie und marktgestützte Beschaffung von
Flexibilitätsleistungen sowie einheitliche Spezifikationen der zu beschaffenden Produkte vorzulegen. Die
Spezifikationen haben die wirksame und diskriminierungsfreie Beteiligung aller Marktteilnehmer
sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für Marktteilnehmer, die verteilte Erzeugung, Laststeuerung oder
Energiespeicherung anbieten. Die Spezifikationen haben eine effiziente Beschaffung und einen
effizienten Netzbetrieb sowie einen möglichst liquiden Markt für Flexibilitätsleistungen als auch eine
gesamtwirtschaftliche Effizienz, Transparenz und Integrität zu gewährleisten. In dem Vorschlag ist
insbesondere darauf einzugehen, wie Flexibilitätsleistungen von Netzbenutzern mit flexiblem Netzzugang
gemäß § 103 und mit begrenztem oder beschränktem Netzzugang gemäß § 104 sowie Tarifen mit
unterbrechbarer bzw. regelbarer Leistung gemäß § 128 Abs. 5 bei der marktgestützten Beschaffung von
Flexibilitätsleistungen zu berücksichtigen sind.
(3) Die Regulierungsbehörde hat mit Verordnung einheitliche Modalitäten zur Beschaffung von
Flexibilitätsleistungen über die gemeinsame Flexibilitätsplattform gemäß § 142 und Spezifikationen der
zu beschaffenden Produkte gemäß Abs. 2 festzulegen, wobei sie dabei nicht an den Vorschlag der
Netzbetreiber gebunden ist. Soweit eine Ausnahme nach Abs. 5 vorliegt, sind keine Spezifikationen
festzulegen.
(4) Die mit der marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsleistungen verbundenen, angemessenen
Kosten,
einschließlich
der
Ausgaben
für
die
erforderlichen
Informations-
und
Kommunikationstechnologien
sowie
der
Infrastrukturkosten,
sind
bei
der
Festsetzung
der
Systemnutzungsentgelte gemäß den Bestimmungen des 10. Teils anzuerkennen. Allfällige Erlöse aus der
Beschaffung sind der Entgeltbestimmung zugrunde zu legen.
(5) Von marktgestützten Methoden der Beschaffung von Flexibilitätsleistungen ist abzusehen, wenn
die Regulierungsbehörde durch Verordnung feststellt, dass eine marktgestützte Beschaffung für einzelne
Netzgebiete, Netzebenen, Zeitbereiche oder Anforderungen der Netzbetreiber wirtschaftlich nicht
effizient ist oder dass eine solche Beschaffung zu schwerwiegenden Marktverzerrungen oder stärkeren
Engpässen führen würde. Die Verordnung kann alternative Maßnahmen, beispielsweise die Möglichkeit
zu kostenbasierter Beschaffung von Flexibilitätsleistungen, enthalten, wenn diese gegenüber der
marktbasierten Beschaffung, dem Netzausbau oder der Netzverstärkung die kosteneffizientere Maßnahme
darstellen. Stellt die Regulierungsbehörde eine Ausnahme fest, hat sie ihre Entscheidung mindestens alle
zwei Jahre zu überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung auf ihrer Website zu veröffentlichen.