§ 140
Engpassmanagement im Übertragungsnetz
📝 Zusammenfassung
Kernaussage
Der Regelzonenführer darf im Übertragungsnetz Engpässe verhindern oder beseitigen, indem er Flexibilitätsleistungen von Erzeugungs‑, Speicher‑ und Verbrauchsanlagen sowie von Netzbenutzern einfordert und entsprechende Verträge abschließt.
Wichtige Details
1. Erforderliche Ermächtigung – Der Regelzonenführer kann, wenn nötig, Flexibilitätsleistungen in Anspruch nehmen, wobei er die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beachten muss.
2. Vertragsarten
- a) Erzeugungs‑ und Speicheranlagen mit ≤ 1 MW
- b) Erzeugungs‑ und Speicheranlagen mit ≥ 1 MW
- c) Verbrauchsanlagen, die über die gemeinsame Flexibilitätsplattform (§ 142) angeboten werden
3. Anordnungen an Netzbenutzer – Nach Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten (insbesondere Z 1) kann er Flexibilitätsleistungen an Netzbenutzer anordnen.
4. Regelreserve‑Ausschreibung – Geeignete Angebote aus Regelarbeitsgeboten (Verordnung (EU) 2017/2195) dürfen genutzt werden.
5. Intraday‑Märkte – Auch Angebote auf Intraday‑Märkten sind zulässig.
6. Entgelt – Für Leistungen nach Z 1 lit. b und Z 2 wird ein Ersatz für die wirtschaftlichen Nachteile und Kosten gezahlt (Art. 13 EU 2019/943).
7. Verordnung zur Entgeltbestimmung – Die Regulierungsbehörde legt in einer Verordnung fest, wie das angemessene Entgelt ermittelt wird, wobei erneuerbare Energiequellen Vorrang haben und die Fernwärmeversorgung bei KWK‑Anlagen nicht gefährdet wird.
8. Systemanalyse – Bei Bedarf zusätzlicher Erzeugungs‑ oder reduzierbarer Verbrauchsleistung (§ 143) wird gemäß § 144 beschafft. Verträge können Erzeuger/Entnehmer zu gesicherten Leistungen verpflichten, auch für andere Übertragungsnetze.
9. Europäischer Markt – Der Regelzonenführer kann mit anderen Übertragungsnetzbetreibern Verträge abschließen, um Engpässe in österreichischen Netzen zu vermeiden.
10. Maßnahmen – Im Engpassmanagement sind Maßnahmen nach Abs. 1 Z 1‑4, § 101, § 104, § 128 Abs. 5 sowie kurz‑ und mittelfristige betriebliche Maßnahmen zu ergreifen, um Engpässe zu geringsten Kosten zu vermeiden. Abweichungen sind nur mit Genehmigung der Regulierungsbehörde und im Einklang mit Art. 13 EU 2019/943 zulässig.
11. Dritte – Betreiber, die Dritte mit relevanten Aufgaben beauftragen, dürfen diese Dritten ebenfalls ermächtigen und verpflichten. Verteilernetzbetreiber müssen den Regelzonenführer bei Anordnungen nach Abs. 1 Z 2 unterstützen und auf Aufforderung die Anordnung in dessen Namen durchführen.
Ausnahmen/Besonderheiten
- Z 1 und Z 2 werden im Gesetz nicht vollständig definiert; die genaue Auslegung ist im Kontext der jeweiligen Regelungen zu prüfen.
- Die Regelung gilt nur, wenn ein Netzengpass vorliegt; sonst ist keine Ermächtigung erforderlich.
- Die Vorrangstellung erneuerbarer Energiequellen ist ausdrücklich festgelegt, was bei der Entgeltbestimmung berücksichtigt werden muss.
Unklarheiten
- Die Begriffe „Z 1“ und „Z 2“ sind im Gesetz nicht näher erläutert; ihre Bedeutung ergibt sich aus den jeweiligen Absätzen und den verweisenden Paragraphen.
Querverweise
- § 142 (gemeinsame Flexibilitätsplattform)
- § 143 (Systemanalyse)
- § 144 (Beschaffung zusätzlicher Leistungen)
- § 101, § 104, § 128 Abs. 5 (weitere Engpassmanagement‑Maßnahmen)
- Art. 13 EU 2019/943 (Entgeltregelung)
- Verordnung (EU) 2017/2195 (Regelreserveausschreibung)
Diese Zusammenfassung deckt alle wesentlichen Regelungen, Fristen, Ausnahmen und Bedingungen des § 140 ab.
📜 Gesetzestext
(1) Sofern für die Vermeidung oder Beseitigung eines Netzengpasses im Übertragungsnetz
erforderlich, ist der Regelzonenführer im erforderlichen Ausmaß und für den erforderlichen Zeitraum
ermächtigt, nach den Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit:
- in Abstimmung mit den betroffenen Verteilernetzbetreibern mit Marktteilnehmern Verträge über die Erbringung von Flexibilitätsleistungen von
- Stromerzeugungsanlagen und Energiespeicheranlagen mit einer Maximalkapazität unter 1 MW,
- Stromerzeugungsanlagen und Energiespeicheranlagen mit einer Maximalkapazität ab 1 MW, sowie
- Verbrauchsanlagen, die über die gemeinsame Flexibilitätsplattform gemäß § 142 angeboten werden, in Anspruch zu nehmen;
- in Abstimmung mit den betroffenen Verteilernetzbetreibern Flexibilitätsleistungen von Netzbenutzern anzuordnen, sofern alle anderen Möglichkeiten und insbesondere jene gemäß Z 1 ausgeschöpft sind;
3. geeignete Angebote, die im Rahmen einer Regelreserveausschreibung eingebracht wurden
(Regelarbeitsgebote), in Anspruch zu nehmen, wobei die Regelungen gemäß der Verordnung
(EU) 2017/2195 einzuhalten sind;
4. geeignete Angebote auf Intraday-Märkten in Anspruch zu nehmen.
(2) Die Erbringung der Flexibilitätsleistungen gemäß Abs. 1 Z 1 lit. b und Z 2 erfolgt gegen Ersatz
der wirtschaftlichen Nachteile und Kosten, die unmittelbar durch diese Leistungen verursacht werden;
dabei sind die Vorgaben gemäß Art. 13 der Verordnung (EU) 2019/943 einzuhalten.
(3) Das Verfahren zur Ermittlung des angemessenen Entgelts für die Flexibilitätsleistungen gemäß
Abs. 1 Z 1 lit. b, Z 2 und Abs. 4 ist in einer Verordnung der Regulierungsbehörde festzulegen, wobei als
Basis die wirtschaftlichen Nachteile und Kosten der Erzeuger, die durch diese Leistungen verursacht
werden, heranzuziehen sind. Dabei ist auch sicherzustellen, dass der Einspeisung von Elektrizität auf der
Grundlage von erneuerbaren Energiequellen ein Vorrang einzuräumen ist und bei Anweisungen
gegenüber Betreibern von KWK-Anlagen die Sicherheit der Fernwärmeversorgung nicht gefährdet wird.
(4) Soweit darüber hinaus auf Basis der Systemanalyse gemäß § 143 der Bedarf nach Vorhaltung
zusätzlicher Erzeugungsleistung oder gesichert reduzierbarer Verbrauchsleistung besteht, ist diese gemäß
den Vorgaben des § 144 zu beschaffen. In diesen Verträgen können Erzeuger oder Entnehmer auch zu
gesicherten Leistungen, um zur Vermeidung und Beseitigung von Netzengpässen in anderen
Übertragungsnetzen beizutragen, verpflichtet werden. Zur Nutzung von Erzeugungsanlagen oder Anlagen
von Entnehmern im europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
zur Vermeidung, Beseitigung und Überwindung von Engpässen in österreichischen Übertragungsnetzen
kann der Regelzonenführer Verträge mit anderen Übertragungsnetzbetreibern abschließen. Bei der
Bestimmung der Systemnutzungsentgelte sind dem Regelzonenführer die Aufwendungen, die ihm aus der
Erfüllung dieser Verpflichtungen entstehen, anzuerkennen.
(5) Der Regelzonenführer ist verpflichtet, im erforderlichen Ausmaß und für den erforderlichen
Zeitraum im Rahmen von Engpassmanagement jene Maßnahmen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4, § 101, § 104,
§ 128 Abs. 5 sowie kurz- und mittelfristige betriebliche Maßnahmen zu ergreifen, mit denen nach
Maßgabe der systemtechnischen Anforderungen Engpässe im Übertragungsnetz zu den geringsten Kosten
vermieden werden. Der Regelzonenführer kann davon abweichen, sofern dies im Einklang mit Art. 13 der
Verordnung (EU) 2019/943 steht und sofern ein solches Vorgehen mit Bescheid der Regulierungsbehörde
genehmigt wurde.
(6) Sofern Betreiber von Stromerzeugungs-, Energiespeicher- und Verbrauchsanlagen Dritte
beauftragen, Aufgaben zu übernehmen, die für die Wahrnehmung dieser Verpflichtung relevant sind, sind
diese Dritten ebenso ermächtigt und verpflichtet, vereinbarte und angeordnete Leistungen im Sinne des
Abs. 1 zu erbringen. Verteilernetzbetreiber sind verpflichtet den Regelzonenführer bei der Durchführung
einer Anordnung gemäß Abs. 1 Z 2 zu unterstützen und auf Aufforderung des Regelzonenführers eine
Anordnung in dessen Namen durchzuführen.