§ 166
Entflechtung von Verteilernetzbetreibern
📝 Zusammenfassung
Kernaussage
Verteilernetzbetreiber, die zu einem vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen gehören und deren Netz mindestens 100 000 Kunden hat, müssen rechtlich, organisatorisch und in der Entscheidungsgewalt von den übrigen Tätigkeiten des Unternehmens unabhängig sein.
Wichtige Details
1. Unabhängigkeit sichern – Die Leitung des Verteilernetzbetreibers darf nicht zu den operativen Einheiten der Erzeugung, Übertragung oder Lieferung gehören.
2. Berufsbedingte Interessen – Die Interessen der Leitungsorgane müssen so berücksichtigt werden, dass ihre Handlungsunabhängigkeit gewährleistet ist; die Gründe für eine Abberufung müssen in der Satzung klar definiert sein.
3. Ressourcen – Der Betreiber muss über ausreichende personelle, technische, materielle und finanzielle Mittel verfügen und darf diese Mittel unabhängig von den übrigen Unternehmensbereichen einsetzen.
4. Gleichbehandlungsprogramm – Ein Programm zur Vermeidung diskriminierenden Verhaltens ist zu erstellen, mit klaren Pflichten für Beschäftigte und einer Überwachungsstruktur.
5. Koordinierungsmechanismen – Die Muttergesellschaft darf den jährlichen Finanzplan genehmigen und Grenzen für die Verschuldung setzen, jedoch keine Weisungen zum laufenden Betrieb oder zu Bau/Modernisierung von Leitungen außerhalb des genehmigten Plans erteilen.
6. Aufsichtsrat – Mindestens zwei Mitglieder des Aufsichtsrats des Verteilernetzbetreibers müssen unabhängig von der Muttergesellschaft sein.
7. Wettbewerbsverzerrung – Der Betreiber darf die vertikale Integration nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs nutzen; Marketing und Markenpolitik müssen Verwechslungen mit der Lieferantensparte ausschließen.
8. Gleichbehandlungsbeauftragter – Er ist völlig unabhängig, hat Zugang zu allen relevanten Informationen und ist für die Dauer seiner Bestellung einer Sicherheitsfachkraft (§ 73 Abs. 1 ASchG) gleichgestellt. Er berichtet jährlich an die Regulierungsbehörde und veröffentlicht die Ergebnisse.
9. Regulierungsüberwachung – Die Regulierungsbehörde überwacht kontinuierlich die Einhaltung der Absätze 1–6, um sicherzustellen, dass die vertikale Integration nicht missbraucht wird.
Ausnahmen/Besonderheiten
- Es gibt keine ausdrücklichen Ausnahmen für kleinere Netzbetreiber (unter 100 000 Kunden).
- Die Regelungen gelten ausschließlich für vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen; reine Verteilernetzbetreiber ohne Muttergesellschaft sind hiervon ausgenommen.
Unklare Formulierungen
- Die Formulierung „berufsbedingten Interessen … in einer Weise berücksichtigt werden, dass deren Handlungsunabhängigkeit gewährleistet ist“ ist rechtlich vage und lässt Raum für Interpretation.
- „Z 1“ in Absatz 3 ist nicht eindeutig definiert; vermutlich bezieht es sich auf die erste Unterzählung, aber die genaue Bedeutung ist nicht klar.
Querverweise
- § 73 Abs. 1 ASchG (Sicherheitsfachkraft) wird zur Gleichbehandlungsbeauftragten-Äquivalenz herangezogen.
- Die Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) wird in den Absätzen 6, 7 und 8 genannt, um die Überwachungs- und Berichtspflichten zu konkretisieren.
📜 Gesetzestext
(1) Verteilernetzbetreiber, an deren Netz mindestens 100 000 Kunden angeschlossen sind,
und die zu einem vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen gehören, müssen zumindest in ihrer
Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen
sein, die nicht mit der Verteilung zusammenhängen.
(2) Die Unabhängigkeit der Organisation und Entscheidungsgewalt des Verteilernetzbetreibers in
einem vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen, an dessen Netz mindestens 100 000 Kunden
angeschlossen sind, ist insbesondere gewährleistet, wenn
- die für die Leitung des Verteilernetzbetreibers zuständigen Personen nicht betrieblichen Einrichtungen des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens angehören, die direkt oder indirekt für den laufenden Betrieb in den Bereichen Elektrizitätserzeugung, -übertragung und -lieferung zuständig sind;
- die berufsbedingten Interessen der für die Leitung des Verteilernetzbetreibers zuständigen Personen
(Gesellschaftsorgane)
in
einer
Weise
berücksichtigt
werden,
dass
deren
Handlungsunabhängigkeit gewährleistet ist, wobei insbesondere die Gründe für die Abberufung
eines Gesellschaftsorgans des Verteilernetzbetreibers in der Gesellschaftssatzung des
Verteilernetzbetreibers klar zu umschreiben sind;
- der Verteilernetzbetreiber über die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Ressourcen, einschließlich der personellen, technischen, materiellen und finanziellen Mittel verfügt, die für den Betrieb, die Wartung oder den Ausbau des Netzes erforderlich sind, und gewährleistet ist, dass der Verteilernetzbetreiber über die Verwendung dieser Mittel unabhängig von den übrigen Bereichen des vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens entscheiden kann;
4. der Verteilernetzbetreiber ein Gleichbehandlungsprogramm aufstellt, aus dem hervorgeht,
welche Maßnahmen zum Ausschluss diskriminierenden Verhaltens getroffen werden; weiters hat
er Maßnahmen vorzusehen, durch die die ausreichende Überwachung der Einhaltung dieses
Programms gewährleistet wird. In diesem Programm ist insbesondere festzulegen, welche
Pflichten die Beschäftigten im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels haben.
(3) Abs. 2 Z 1 steht der Einrichtung von Koordinierungsmechanismen nicht entgegen, durch die
sichergestellt wird, dass die wirtschaftlichen Befugnisse des Mutterunternehmens und seine
Aufsichtsrechte über das Management im Hinblick auf die Rentabilität eines Tochterunternehmens
geschützt werden. Das Mutterunternehmen ist berechtigt, den jährlichen Finanzplan oder ein
gleichwertiges Instrument des Verteilernetzbetreibers zu genehmigen und generelle Grenzen für die
Verschuldung seines Tochterunternehmens festzulegen. Weisungen bezüglich des laufenden Betriebs
oder einzelner Entscheidungen über den Bau oder die Modernisierung von Verteilerleitungen, die über
den Rahmen des genehmigten Finanzplans oder eines gleichwertigen Instruments nicht hinausgehen, sind
unzulässig.
(4) Dem Aufsichtsrat von Verteilernetzbetreibern, die zu einem vertikal integrierten
Elektrizitätsunternehmen gehören, müssen mindestens zwei Mitglieder angehören, die von der
Muttergesellschaft unabhängig sind.
(5) Verteilernetzbetreiber, die Teil eines vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens sind, dürfen
diesen Umstand nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs nutzen. Vertikal integrierte Verteilernetzbetreiber
haben in ihrer Kommunikations- und Markenpolitik dafür Sorge zu tragen, dass eine Verwechslung in
Bezug
auf
die
eigene
Identität
mit
der
Lieferantensparte
des
vertikal
integrierten
Elektrizitätsunternehmens ausgeschlossen ist.
(6) Die Aufstellung und Überwachung der Einhaltung des Gleichbehandlungsprogrammes obliegt
der oder dem Gleichbehandlungsbeauftragten. Die Benennung und Abberufung der oder des
Gleichbehandlungsbeauftragten
ist
der
Regulierungsbehörde
mitzuteilen.
Die
oder
der
Gleichbehandlungsbeauftragte des Verteilernetzbetreibers muss völlig unabhängig sein und Zugang zu
allen Informationen haben, über die der Verteilernetzbetreiber und etwaige verbundene Unternehmen
verfügen und die die oder der Gleichbehandlungsbeauftragte benötigt, um die übertragenen Aufgaben zu
erfüllen.
Im
Hinblick
auf
den
Kündigungs-
und
Entlassungsschutz
ist
die
oder
der
Gleichbehandlungsbeauftragte für die Dauer der Bestellung, wenn sie oder er beim Verteilernetzbetreiber
beschäftigt ist, einer Sicherheitsfachkraft (§ 73 Abs. 1 ASchG) gleichgestellt.
(7) Die oder der Gleichbehandlungsbeauftragte hat der Regulierungsbehörde jährlich einen Bericht
über die getroffenen Maßnahmen zur Einhaltung des Gleichbehandlungsprogrammes vorzulegen und zu
veröffentlichen. Die Regulierungsbehörde hat jährlich einen zusammenfassenden Bericht über die
getroffenen Maßnahmen der Verteilernetzbetreiber vorzulegen und diesen Bericht zu veröffentlichen.
(8) Die Regulierungsbehörde hat die Tätigkeiten des Verteilernetzbetreibers, der Teil eines vertikal
integrierten Elektrizitätsunternehmens ist, im Hinblick auf die Einhaltung der Abs. 1 bis 6 laufend zu
überwachen, damit er die vertikale Integrierung nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs ausnutzen kann.