§ 144
Beschaffung der Netzreserve
📜 Gesetzestext
(1) Der Regelzonenführer hat den festgestellten Netzreservebedarf gemäß § 143 Abs. 2
mittels eines transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Ausschreibungsverfahrens
gemäß den nachstehenden Absätzen zu beschaffen. Teilnahmeberechtigte Anbieter sind
- Betreiber von inländischen Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW, deren Stilllegung im Fall von Erzeugungsanlagen gemäß § 143 Abs. 1 innerhalb des jeweiligen Ausschreibungszeitraums angezeigt wurde;
- Entnehmer mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW, die durch Anpassung ihrer Verbrauchsanlagen ihren Verbrauch temporär, zumindest aber für sechs Stunden, reduzieren oder zeitlich verlagern können;
- Aggregatoren, die mehrere Erzeugungs- oder Verbrauchseinheiten zu einem gesamthaft abrufbaren Pool mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW zusammenfassen, sowie
- Betreiber von Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mindestens 1 MW im europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, sofern das betroffene Übertragungsnetz mit einer österreichischen Regelzone unmittelbar galvanisch verbunden ist und der betroffene Übertragungsnetzbetreiber vom österreichischen Regelzonenführer über einen abzuschließenden Engpassmanagementvertrag zur Erbringung von Engpassmanagement unmittelbar verhalten werden kann. Betreiber von Erzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 20 MW sind teilnahmeberechtigt, wenn sie Stilllegungen ihrer Anlagen in vergleichbarer Weise wie § 143 Abs. 1 ihrem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber oder der Regulierungsbehörde für den jeweiligen Ausschreibungszeitraum angezeigt haben.
(2) Der Regelzonenführer hat die Anbieter in einem zweistufigen Verfahren auszuwählen. Zu
diesem Zweck hat der Regelzonenführer technische Eignungskriterien für die Netzreserve in
Abstimmung mit der Regulierungsbehörde bis Ende Februar jedes Jahres festzulegen und in geeigneter
Form zur Interessensbekundung aufzurufen. Im Aufruf zur Interessensbekundung hat der
Regelzonenführer folgende Informationen bekanntzugeben:
- den maximalen Netzreservebedarf in MW für das erste Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 135 Abs. 2 zweiter Satz;
- den Zeitraum, in dem ein Netzreservebedarf gemäß § 143 Abs. 2 festgestellt wurde;
- die Produkte, die auf Basis der angezeigten Stilllegungen gemäß § 143 Abs. 1 sowie der Ergebnisse der Systemanalyse gemäß § 143 Abs. 2 zur Deckung des festgestellten Netzreservebedarfs gemäß den nachstehenden Absätzen zu beschaffen sind. Als Produkte gemäß Z 3 kommen Netzreserveverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren, Netzreserveverträge mit einer Laufzeit von einem Jahr sowie saisonale Netzreserveverträge in Betracht. Bei der Festlegung der Produkte sind laufende Netzreserveverträge sowie die Kriterien des Abs. 7 Z 1 bis Z 4 zu berücksichtigen.
(3) Alle Interessenten, die ihr Teilnahmeinteresse binnen vierwöchiger Frist bekundet haben, sind
vom Regelzonenführer hinsichtlich ihrer Eignung zur Erbringung von Engpassmanagement und zur
Erfüllung der Kriterien gemäß Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz sowie Abs. 4 zu prüfen. In der zweiten
Verfahrensstufe sind die Betreiber der als geeignet eingestuften Anlagen zur Angebotslegung binnen
vierwöchiger Frist aufzufordern. Betreiber der als nicht geeignet eingestuften Anlagen sind zu
informieren. Betreiber von Erzeugungsanlagen gemäß § 143 Abs. 1, die ein Angebot für einen
zweijährigen Netzreservevertrag legen möchten, sind verpflichtet, auch ein Angebot für einen einjährigen
Netzreservevertrag zu legen.
(4) Erzeugungsanlagen dürfen nur dann als geeignet eingestuft werden, wenn ihre Emissionen nicht
mehr als 550 g CO2 je kWh Elektrizität betragen und keine radioaktiven Abfälle entstehen. Außerdem
darf eine Vergütung für die Erbringung von Netzreserve nicht an Unternehmen in Schwierigkeiten im
Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller
Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. Nr. C 249 vom 31.07.2014 S. 1, gewährt werden.
(5) Die eingelangten Angebote werden auf Basis eines Referenzwertes überprüft, welcher sich durch
den mengengewichteten Durchschnitt aller Angebote errechnet. Die teuersten 10% der angebotenen
Leistung werden nicht in der Durchschnittsbildung berücksichtigt. Sollte ein Angebot diesen
Referenzwert signifikant überschreiten, hat der Regelzonenführer diese Überschreitung der
Regulierungsbehörde zu melden. Die Beurteilung der Signifikanz wird auf Basis der gebotenen Preise pro
MW und pro Monat vom Regelzonenführer unter Berücksichtigung des Berichtes gemäß Abs. 10
vorgenommen und in der zweiten Verfahrensstufe gemäß Abs. 3 bekanntgegeben. Kann der für das erste
Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 143 Abs. 2 zweiter Satz festgestellte Netzreservebedarf mit den,
den Referenzwert nicht signifikant überschreitenden Angeboten, nicht gedeckt werden, hat der
Regelzonenführer alle Anbieter zur neuerlichen Abgabe von Angeboten innerhalb von zehn Tagen
aufzufordern. Dabei müssen die Gebotspreise unter jenem des erstmalig abgegebenen Gebotspreises
liegen. Falls neuerlich eine signifikante Überschreitung des Referenzwertes vorliegt, werden die
betreffenden Angebote vom Verfahren nach dieser Bestimmung ausgeschlossen.
(6) Auf Grundlage der geprüften und nicht ausgeschlossenen Angebote hat der Regelzonenführer
jene Angebote auszuwählen, die es ermöglichen, den Netzreservebedarf im ersten Jahr des
Betrachtungszeitraums gemäß § 143 Abs. 2 zweiter Satz zu den geringsten Kosten zu decken. Die
Auswahl ist der Regulierungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Die Regulierungsbehörde hat die
Auswahl anhand der in Abs. 1 erster Satz genannten Grundsätze zu prüfen und innerhalb von acht
Wochen mit Bescheid an den Regelzonenführer zu genehmigen, wobei die Genehmigung unter
Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen erfolgen kann. Die Genehmigung gilt als
erteilt, wenn die Regulierungsbehörde die Frist ungenützt verstreichen lässt. Einer Beschwerde gegen den
Bescheid kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(7) Nach erfolgter Genehmigung hat der Regelzonenführer mit den ausgewählten Anbietern
Netzreserveverträge nach Maßgabe folgender Kriterien abzuschließen:
- Verträge mit Betreibern von Erzeugungsanlagen gemäß Abs. 1 Z 1 und Z 4 dürfen längstens für die Dauer des gemäß § 143 Abs. 1 angekündigten Stilllegungszeitraums abgeschlossen werden.
- Zweijährige Netzreserveverträge dürfen nur abgeschlossen werden, wenn für den gesamten Vertragszeitraum ein kontinuierlicher Netzreservebedarf gemäß § 143 Abs. 2 festgestellt wurde.
- Für jene Zeiträume, in denen zweijährige Netzreserveverträge bestehen, dürfen keine weiteren zweijährigen Netzreserveverträge abgeschlossen werden.
- Saisonale Netzreserveverträge dürfen nur für die Dauer einer einzelnen Winter- oder Sommersaison abgeschlossen werden. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Netzreservevertrags. Im Netzreservevertrag ist jedenfalls eine Rückforderungsklausel zugunsten des Regelzonenführers aufzunehmen. Mit erfolgter Kontrahierung haben Betreiber von Erzeugungsanlagen gemäß Abs. 1 Z 1 und Z 4 diese mit Ausnahme von Revisionszeiträumen ausschließlich für das Engpassmanagement zur Verfügung zu stellen; die Marktteilnahme ist für die Dauer des Netzreservevertrags unzulässig. Betreibern von Verbrauchsanlagen ist eine Marktteilnahme zur Deckung ihres Verbrauchs erlaubt; die kontrahierte Leistung zur Verbrauchsanpassung ist für die Dauer des Netzreservevertrags jedoch ausschließlich für das Engpassmanagement zur Verfügung zu stellen.
(8) Kann der für das erste Jahr des Betrachtungszeitraums gemäß § 143 Abs. 2 zweiter Satz
festgestellte Netzreservebedarf aufgrund der gelegten und nicht ausgeschiedenen Angebote nicht gedeckt
werden oder wurden weniger als drei Gebote von unterschiedlichen Unternehmen gelegt, so sind die noch
nicht ausgewählten Betreiber geeigneter Erzeugungsanlagen durch die Regulierungsbehörde zur
Bekanntgabe ihrer Aufwendungen und Kosten gemäß § 145 Abs. 3 binnen angemessener, drei Wochen
nicht überschreitender Frist aufzufordern. Die Regulierungsbehörde hat diese Kosten nach Maßgabe des
§ 145 Abs. 3 und 4 zu prüfen, die Anlagen nach den erfolgten Kostenangaben zu reihen und
entsprechende Bescheide zu erlassen. Für diese Zwecke ist vom Betreiber unter sinngemäßer Anwendung
des § 153 ein getrennter Rechnungskreis zu führen. Die Regulierungsbehörde hat darin volle Einsichts-
und Auskunftsrechte. Der Regelzonenführer hat sodann den ausstehenden Bedarf durch Abschluss von
Netzreserveverträgen zu den geringsten Kosten zu decken. Dabei gilt Abs. 7 mit der Maßgabe, dass keine
zweijährigen Netzreserveverträge abgeschlossen werden dürfen.
(9) Wird der Betreiber einer Erzeugungsanlage gemäß Abs. 1 Z 1 nicht ausgewählt, hat dieser die
Anlage für den gemäß § 143 Abs. 1 angekündigten Stilllegungszeitraum außer Betrieb zu nehmen, es sei
denn § 145 Abs. 1 oder § 146 Abs. 3 sind anwendbar.
(10) Zumindest alle zwei Jahre hat die Regulierungsbehörde einen Bericht über die Situation am
österreichischen Strommarkt in Bezug auf die Erbringung einer Netzreserveleistung zu erstellen und zu
veröffentlichen. Dabei hat diese die Wettbewerbsintensität am relevanten Strommarkt anhand von
Preisvergleichen, des Produktangebots und seiner Nutzung, der Marktkonzentration (Angebot und
Nachfrage) unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit alternativer Lieferquellen sowie der Verfügbarkeit
von Erzeugungsanlagen im Verhältnis zur Nachfrage zu beurteilen, die Signifikanz gemäß Abs. 5 zu
analysieren und diesbezüglich gegebenenfalls eine Empfehlung auszusprechen. Der Bericht hat überdies
die Berichte der Netzbetreiber gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2019/943 zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse des Berichts sind bei der Ausgestaltung der technischen Eignungskriterien und der
Ausschreibung gemäß Abs. 2 bis 5 sowie der Vertragsgestaltung gemäß Abs. 6 bis 8 zu berücksichtigen.